Am 18. September 2020 startete das erste partizipative Budget Zürichs in Wipkingen unter dem Titel «Quartieridee Wipkingen». Das Prinzip ist einfach: Die Quartierbevölkerung konnte online Ideen für ihr Quartier eingeben, diese wurden auf ihre Machbarkeit überprüft, und nun kann auf die machbaren Ideen partizipativ ein Quartierbudget von 40’000 Franken verteilt werden. Die Gewinnerideen werden schlussendlich umgesetzt.
Für ein solches Pilotprojekt machen wir uns schon lange stark. Seit drei Jahren denken wir darüber nach, wie man das, was wir von Nextzürich schon lange machen, noch wirksamer machen kann: Mit Ideen aus der Bevölkerung die Stadt mit-entwickeln.
– – ein Arbeitsbericht, Stand: Januar 2021 – –
Wie es dazu kam / 2013 bis 2018
2013 fingen wir bei Nextzürich an, online Ideen zu sammeln für die Zukunft der Stadt Zürich. Alle durften mitmachen, und die Fragestellung war ganz offen: Wie stellst du dir Zürich in 20 Jahren vor? Wir durften dafür eine Online-Plattform vom Projekt Nexthamburg kopieren, welche es Nutzer*innen ermöglicht, Ideen einzugeben, zu diskutieren und positiv zu bewerten. Die Ideen wurden gleichzeitig auf einer Stadtkarte dargestellt – zwecks Übersicht.
Die Nextzürich-Methode war damals erstaunlich revolutionär, aus mindestens 4 Gründen:
- Offen in der Fragestellung – im Gegensatz zu herkömmlichen Abstimmungen, bei denen man nur noch Ja oder Nein sagen kann, ohne Ja-aber-Option und ohne Alternative. Und auch im Gegensatz zu herkömmlichen informellen Beteiligungsprozessen, bei denen es stets um eine konkrete Strasse, einen Platz, ein Areal oder einen konkreten Tunnel geht, konnte man auf der Nextzürich-Plattform ALLES eingeben…
- Digital: Das war damals auch noch ziemlich neu, und ist – wenn wir ehrlich sind – auch heutzutage noch nicht überall selbstverständlich. Gekoppelt war diese Online-Partizipation allerdings von Anfang an mit Offline-Events, um nicht NUR digital zu sein. Aber das digitale hat eben an sich Vorteile: so kann man z.B. unabhängig von Ort und Zeit mitmachen: mitten in der Nacht von einer Berghütte aus zum Beispiel. Oder am Vormittag, wenn man gleichzeitig auf 4 Kinder aufpasst.
- Inklusiv: Es durften alle mitmachen, die sich für die Stadt Zürich interessierten – unabhängig von Wohnsitz oder Stimmberechtigung, unabhängig vom Alter oder der Farbe des Passes.
- Bottom-up: nicht die Stadt hat den Prozess initiiert, sondern Nextzürich als Verein, der so quasi die Übersetzungs- und Vermittlungsrolle übernehm. Im Sinne eines miteinanders: Lasst uns nach guten Ideen suchen, diese gemeinsam verfeinern, ausformulieren, weiterentwickeln, und dann damit zur Stadt gehen um sie ihnen zu präsentieren.
Das einzige Problem am Nextzürich-Prinzip war: Der Verein konnte keine Wirksamkeit versprechen, konnte nicht versprechen, dass irgendeine der eingegebenen Ideen tatsächlich umgesetzt wird. Alles, was der Verein versprechen konnten war, sich zu bemühen, und die beliebtesten Ideen an die zuständige Stellen bei der Stadt zu adressieren, oder Politiker*innen darauf aufmerksam zu machen. Aber auch das war langfristig schwer einzuhalten, da alles auf ehrenamtlichem Engagement basierte und die Vereinsmitglieder mal mehr, mal weniger Zeit hatten sich um die Ideen zu kümmern.
Und dann haben wir 2016 zum ersten Mal vom sogenannten «participatory budgeting» gehört. Nextzürich-Mitglied Arnor Elvarsson, ursprünglich aus Island, erzählte von der Plattform «Betri Reykjavik», wo Ideen aus der Bevökerung gesammelt werden und dann partizipativ via Online-Plattform ein gewisses Budget auf diese Ideen verteilt wird, sodass die beliebtesten Ideen tatsächlich umgesetzt werden können. Da wurde uns klar: Die machen da genau dasselbe wir, mit dem einzigen Unterschied, dass dort am Ende ein Budget auf die beliebtesten Ideen verteilt werden kann, und somit eine Umsetzung garantiert wird. Und diese Idee liess uns nicht mehr los….
Wie es dazu kam / 2018 bis heute
2018 haben wir die Idee eines partizipativen Budgets für Zürich im Rahmen des Themenfokus «Smart Tsüri» in’s Gespräch gebracht (Tsüri.ch berichtete) und in unserem Blog näher ausgeführt, wie wir uns das vorstellen.
Im Herbst 2018 schien die Zeit dann reif: Nachdem zwei Vorstösse im Zürcher Gemeinderat einen Schritt in Richtung Quartierpartizipation und Civic Tech forderten; nachdem die Quartierkoordination verkleinert und neu erfunden wurde, während die städtisch subventionierten Quartiervereine in ihrer Rolle als Schnittstelle zwischen Stadt und Bevölkerung überprüft und dadurch herausgefordert werden; und nachdem Zürich ihre Smart City Strategie veröffentlichte, welche sich unter anderem Schlagworte wie smarte Partizipation oder Chancengleichheit auf die Fahne schreibt; nach alledem entschlossen wir gemeinsam mit dem Quartierverein Wipkingen, nun mit einem konkreten Vorschlag auf die Stadt zuzugehen. Gemeinsam mit der Urban Equipe schrieben wir ein ausführliches Konzeptpapier, welches den Grundstein legte zum jetzigen Pilotprojekt.
Pilotprojekt «Quartieridee Wipkingen» / jetzt
In Kooperation mit der Urban Equipe und begleitet und unterstützt von der Stadtentwicklung Zürich haben wir seither das Pilotprojekt «Quartieridee Wipkingen» auf die Beine gestellt. So dürfen die Wipkinger*innen nun mit uns probieren, wie das wirklich geht mit diesem partizipativen Budget. Und wir wollen davon lernen, es später weiterentwickeln, vielleicht bald gesamtstädtisch anwenden…. Wer weiss.
Doch noch ist es nicht soweit. Noch sind wir mitten in der Testphase.
Im Herbst 2020 konnten Wipkinger*innen 5 Wochen lang ihre Ideen für’s Quartier eingeben. Erlaubt war eigentlich alles. Und mitmachen durften auch alle – unabhängig vom Alter, Wohnort oder Farbe des Passes. Dabei kamen 99 Ideen zusammen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: von grossen Verkehrsutopien über neue soziale Treffpunkte bis hin zu kleinen infrastrukturellen Anpassungen war alles dabei.
27 davon stehen jetzt als Projektideen im Rennen um das Quartierbudget von 40’000 Franken. Bis zum 13. Februar kannst du auf www.quartieridee.ch deine Stimme abgeben. Spätestens im Sommer 2021 werden die Gewinnerprojekte umgesetzt. Hier ein paar Beispiele von Ideen:
Begleitet wurde die Ideensammlung von diversen (Corona-konformen) Veranstaltungen: So zum Beispiel ein Auftakt-Event mit Open-Air-Konzert, Spaziergänge durch’s Quartier zu verschiedenen Themen wie z.B. Grünraum oder soziale Treffpunkte, aber auch zahlreiche Ideen-Treffs an unterschiedlichen neuralgischen Punkten im Quartier sowie Workshops mit Jugendlichen.
Die Ideensammlung in Zahlen:
- 37 Tage (18. Sept – 24. Okt 2020)
- 18 Offline-Events
- 1 Online-Plattform (www.quartieridee.ch)
- 200 registrierte User
- 99 Ideen für Wipkingen (erhofft hatten wir 50, d.h. wir sind überwältigt.)
- 211 Kommentare zu den Ideen
- 4400 Besuche auf der Website (davon 73% direkt, 13% Social Media, 7% von Suchmaschinen, 6% von Web-Verweisen, 1% übriges)
Machbarkeitsprüfung
Dann galt es, aus diesen 99 Ideen möglichst viele umsetzbare Projekte zu extrahieren. Dazu sortieren und evaluieren die Equipe zusammen mit der Stadtentwicklung Zürich die Vorschläge und suchten Möglichkeiten und Partner*innen für ihre Umsetzung.
Denn „Umsetzbarkeit“ bedeutet unter anderem auch ganz praktisch, dass jemand bereit dazu ist, die Idee umzusetzen – falls sie gewinnen sollte.
Mit den 99 Ideen passierte im Winter 2020/21 also folgendes:
- Für die Ideen, welche vom Quartier selbst umgesetzt werden können, wurden lokale Umsetzungspartner*innen gesucht. Mit unserer Unterstützung haben diese die Ideen zu konkreten Konzepten weiterentwickelt und mit einem Preisschild versehen. Es sind diese Ideen, die nun im Rennen um das Quartierbudget stehen. Die Gewinnerideen werden im und vom Quartier umgesetzt.
- Ideen, welche von der Stadt umgesetzt werden müssen, wurden mit den zuständigen Stellen abgeklärt, welche ihre Umsetzungsmöglichkeiten prüften und eine konstruktive Antwort auf der Plattform veröffentlichten.
- Ideen, welche nicht möglich sind, weil sie z.B. zu teuer wären oder auf Privatgrund oder auf kantonalem Grund vorgeschlagen waren, wurden aussortiert.
Und nun?
Nun stehen 27 Projektideen im Rennen um das Quartierbudget von 40’000 Franken: von Projekten für mehr Klimaschutz über eine gestärkte Nachbarschaft bis hin zu innovativen kulturellen Angeboten ist alles dabei.
Von Samstag 23. Januar bis Samstag 13. Februar um 18 Uhr können alle Wipkinger*innen auf www.quartieridee.ch darüber bestimmen, welche Projektideen sie mit dem Quartierbudget unterstützen wollen. Die Gewinnerprojekte werden dann – so Corona erlaubt – noch dieses Jahr umgesetzt, für alle im Quartier zugänglich sein und einen (unkommerziellen) Mehrwert bieten.
Das heisst: Wenn es unter euch Leser*innen Wipkinger*innen gibt, dann stimm stimmt jetzt ab! Und falls ihr mehr zum Prozess erfahren wollt, dann schaltet euch ein wenn es heisst: Die Quartieridee gibt Auskunft! (Am 27. Januar um 18 Uhr oder am 10. Februar um 12.30 Uhr)
Last but not least
Die «Quartieridee Wipkingen» ist ein Versuch: Wie können mehr Menschen in ihrem Quartier direkt mitreden und mitgestalten? Wir finden, es ist höchste Zeit, dass dafür neue Wege gefunden werden. Mit diesem Pilotprojekt möchten wir dazu lernen. Falls ihr also Feedback habt, gerne an der Umfrage teilnehmen.
Das Pilotprojekt wird ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung von der Stadtentwicklung Zürich, von E-Government Schweiz, von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft sowie via Urban Equipe auch von Engagement Migros. Grafik und Design stammen von Kabeljau und von der Urban Equipe. Die Evaluation des Pilotprojekts wird von der Stiftung Risiko-Dialog durchgeführt.
Das läuft noch wie lange? Sorry, ich habe Angst, dass ich es bereits verpasst habe…