Quartierpartizipation im Vergleich

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Reykjavik, Barcelona und London

Schöner könnte ein Vergleich nicht sein. Am 26. Oktober 2016 konnte man im Denkraum Pavilleon von der Bürger-Online-Abstimmung in Reykjavik erfahren, welche immerhin 0,5% des jährlichen städtischen Budgets verbraten darf. Alle bisher angenommenen Projekte wurden realisiert, und 70% die «Betri Reykjavik» kennen, finden es gut.

Längerfristiger und auf einen Zweck beschränkt agieren die Nachbarschaftsvereine (Trusts) in London. Für die Instandhaltung von Parks oder dem Zurechtrichten eines Spielplatzes kriegen die Trusts Darlehen der Behörden, Spenden von privaten und lokalen Firmen. Eine kleine, feine Ergänzung zu den Verwaltungsaktivitäten – unvorstellbar für Kontinentaleuropa.

Und eine Bottom Up-Initiative, die ganz gross rauskommt: die Superblocks von Barcelona. Basierend auf den Ideen von Quartierräten wird der Durchgangsverkehr aus einem Bereich von 3 auf 3 Blöcken ausgeschlossen und somit öffentlicher Raum zurückgewonnen.

Ein spannender Abend mit den Referenten Quim Vilar (London, Barcelona) und Arnor Elvarsson (Reykjavik).

Online als Königsweg?

Die vorgestellten Initiativen aus den Städten Reykjavik, London und Barcelona entstanden auf diverse Weisen, hatten verschiedene Zwecke und liefen unterschiedlich ab. Reykjavik bietet mit «Betri Reykjavik» eine Online-Plattform, die zur Ideen-Präsentation und -Abstimmung benutzt wird. Die Ideen werden von der Stadt zusammen mit einem Ideenrat ausgewählt und den Bürgern via Online-Plattform vorgelegt.

Zweifelsohne ist das Verfahren effektiv. Die Einwohnerschaft von Reykjavik kann bequem abstimmen. Auch ist auf einen Blick sichtbar, wie teuer eine Umsetzung einer Idee kostet. Eine wichtige Info an die Bürger, da nur ein bestimmter Betrag pro Quartier für solche Projekte zur Verfügung steht. Dennoch: die Ideen sind alle Inselvorschläge und werden nicht weiterentwickelt. Einwohnerinnen können sich für oder gegen eine verkehrsoptimierte Ampel, eine Überführung oder einen schönen Spielplatz aussprechen.

Doch wie ein Einwand am Diskussionsabend anmeldete: die Ideen werden nicht in einem grösseren Kontext gestellt und erfahren auch keine Weiterentwicklung. Dies passiert im offiziellen Rahmen im lokalen Parlament. Auch wir von Nextzürich sehen die Wichtigkeit, dass Ideen eben erst der Startpunkt für spannende, integrale Lösungen sind. Online ist eine gute Unterstützungsart für Abstimmungsprozesse, aber eine Ideen-Weiterentwicklung ist damit nicht so einfach möglich.

Vor Ort: Trusts und Quartierräte

Als Gegenbeispiel zeigen die Quartierräte in Barcelona (Consells de Barri), dass damit Ideen an die Stadt gebracht werden können, die bereits vorher offline ausgereift wurden. Von einem Professor stammte das Konzept der Superblocks, dass in den Schachbrettquartieren Barcelonas drei mal drei Blöcke eine neue verkehrstechnische Einheit bilden. Innerhalb des Perimeters ist nur noch Anwohnerverkehr bei 10 km/h erlaubt. Die neu entstandenen Plätze werden als Park, Spielplatz oder Treffpunkt neu belebt. Eine Entwicklung, die von den Behörden Barcelonas mit nur einem Jahr Projektierungszeit nun seit Juli 2016 umgesetzt wird. Mit dabei bei der Planung: die Quartierräte.

Das dritte besprochene Beispiel des Abends zeigt eine konkrete Partizipation der Bevölkerung bei der Umsetzung von Massnahmen. In London übergeben die lokalen Borroughs nicht-gewinnorientierten Vereinigungen, sogenannte Trusts, kleine abgegrenzte Räume zur Verbesserung. Die Trusts haben sich einem bestimmten Zweck verschrieben, z.B. der Parkgestaltung oder der Erhaltung von Vogelarten. Sie agieren unabhängig und können, wenn sie erfolgreich sind, ihr Tätigkeitsgebiet immer wieder ausbreiten. Der erwähnte Bankside Open Space Trust (BOST) kämpfte in den ersten zehn Jahren mit der Beschaffung von Geldern und musste sich quer finanzieren:

Despite BOST’s success, finding money to pay for core costs and the day-to-day maintenance of spaces is difficult. Helen Firminger, the trust’s director, says: ‘the largest portion of our funding comes from grants. Most of these grants are for involving people who are marginalised. It is very unusual to be funded for managing open space — grant makers understandably tend to think that the council should be doing that. It’s the people-based work that funders are interested in. (aus Broschüre 2010).

Sechs Jahre später scheint BOST auf gesicherten finanziellen Beinen zu stehen, wie in diesem guten Einblick gebenden Interview mit dem BOST-Vorsitzenden zu erfahren ist.

Die Berichterstatter im Pavilleon

  • Quim Vilar, Landschaftsarchitekt von simArpa, berichtete von Barcelona und London. Folien
  • Arnor Elvarsson, ETH-Student in Raumentwicklung, brachte das Reykjavik-Instrument näher. Folien