Zwischennutzungen – Akteur*innen berichten

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„Ganz viel Platz!“ Von wegen, die kleine Metropole Zürich platzt aus allen Nähten. Die fünfteilige Gesprächsreihe gleichen Namens von Nextzürich fragt für einmal umgekehrt: Was tun, damit unsere Freiräume gelingen?

Zum Auftakt am 23. November 2016 kamen Akteur*innen von Zwischennutzungen zu Wort. Die vier Vertreter*innen vom Verein Brauergarten und dem Verein Park Platz berichteten brühwarm von ihren Strategien, aber auch von den Hindernissen auf dem Weg zur Verwirklichung ihrer temporären Utopieräume. Was wünschen sie sich für die Zukunft? Und nicht zuletzt: Wie können wir selbst aktiv werden?

Agieren in Spannungsfeldern

Der Verein Brauergarten bringt seit 2012 mit einem urbanen Gemeinschaftsgarten eine grüne Insel ins Langstrassenquartier. In einem Hinterhof gedeihen in aufgefüllten Paletten Blumen und Gemüse. Der Verein Park Platz bespielt seit dem Sommer 2015 den ehemaligen Parkplatz neben dem Bahnhof Letten. Auf dem langgezogenen Grundstück wächst ein Versuchslabor: Man findet eine fahrende Sauna, Kleidertauschbörsen, Konzerte, Festivals oder Workshops.


Update 20. April 2017: Der Verein Park Platz sammelt zurzeit Gelder, um für den Sommer 2017 vorbereitet zu sein. Für eine permanente Überdachung der Aussensitzplätze, ein Behinderten-WC und den Bühnenausbau im Café selber. Unterstütze für ein aktives Zwischennutzen dieses Projekt hier:


Am Anfang standen bei beiden Projekten einzelne Akteur*innen, die direkt auf die Stadt (Brauergarten) oder auf die Gewinner einer städtischen Ausschreibung (Park Platz) zugegangen sind. Ihr ermunternder Erfolg zeigt es: Es gibt Fälle, in denen konkrete Umsetzungen von städtischen Projekten (und die viele Arbeit, die damit verbunden ist) gerne jungen Menschen mit guten Ideen übergeben wird.

Am Anfang steht nun also ein Stück Land. Und mitten in diese Verheissung bricht erst einmal die Realität ein: Woher Wasser? Woher Strom? Und wie vor Sonne und Kälte schützen? Schnell wird klar, dass mit den Nachbarn eine Symbiose eingegangen werden muss, soll irgendetwas funktionieren. Auch verbündete Anpackende sind unerlässlich: Heute funktionieren beide Vereine dank dem Engagement von ca. 10 regelmässig Aktiven. Diese Kerngruppe zählt in ihrem sozialen Umfeld zudem auf ein weites Netzwerk an sporadisch Helfer*innen.

Park Platz

Das bespielte Stück Land wird aber schon bald hungrig. Auch für die nicht-kommerziell ausgerichteten Projekte stellt sich die Frage nach der Finanzierung schnell. Wenn ein einzelner Grundrissplan hundert und eine obligatorische Lüftung im geplanten Café mehrere zehntausend Franken kostet, sind das verhältnismässig enorme Investitionen für ein temporäres Projekt. Einen Teil des Lochs im Geldbeutel kann von Stiftungen abgedeckt werden. Feste erwiesen sich ebenfalls als gute Einnahmequelle, auch wenn sie zusätzlichen Aufwand und potentielle Lärmklagen mit sich bringen. Doch hier beginnt die Gratwanderung: Wie soll das funktionieren, Geld machen zu müssen mit einem Stück Land, auf dem sich Menschen gerade unabhängig von Geld begegnen sollen?

Auf diesem Stück Land hält irgendwann auch die Öffentlichkeit Einzug. Und es taucht die zweite Zwickmühle auf: Wie kann das Projekt offen bleiben, ohne am eigenen Erfolg zu ersticken? Wie viele urinierende Betrunkene kann der Brauergarten ertragen, wie stark muss sich der Park Platz gegen Vandalismus schützen? Wo so viel Herzblut drinsteckt, das will nun auch geschützt werden. Ein kleines bisschen Erleichterung schwingt in den Berichten an diesem Mittwochabend im Pavilleon durch, dass beide Grundstücke bereits vor ihrer Zwischennutzung umzäunt waren. Es sind immerhin nicht so hohe Zäune und mit dem Abschliessen kann man ja manchmal auch etwas freizügig sein…

Wie weiter?

So berichten alle vier Vertreter*innen von dem Spannungsfeld, in dem sie agieren. Indem sie auf unbebaubaren Grundstücken ein Stück Stadt errichten, sind sie Teil eines Aufwertungsprozesses. Im guten wie im kritischen Sinn. Die beschränkte Dauer einer Zwischennutzung hat dabei sogar etwas Reizvolles: Es entsteht eine eigene Energie, die Dinge anzupacken, jetzt oder nie. Diese Schnelligkeit verträgt sich jedoch nicht immer mit den schwerfälligeren Verwaltungsprozessen. Deshalb werden zum Schluss des Gesprächs Wünsche formuliert:

  • Besonders die Baubedingungen der Stadt stellen grosse Hürden in den Weg. Andenkbar wäre eine spezielle rechtliche Rahmenbedingung für Zwischennutzungen, sei dies grösseres Entgegenkommen bei erleichterten Bauverfahren, lockerere Bestimmungen für Holzkonstruktionen, etc.
  • Bei der Stadt Zürich fehlt zudem eine einheitliche Anlaufstelle für Zwischennutzungen. Was Basel schafft, sollte in Zürich doch auch klappen…
  • Ein drängendes Problem bleibt stets die Finanzierung. Damit nicht-kommerzielle Projekte bestehen können, braucht es unabhängige Fördermöglichkeiten.

Was nun also beachten, wer sich selber engagieren möchte? Insbesondere die Herstellung der Infrastruktur sei nicht zu unterschätzen und es gilt bei allem Erfolg auch stets die Verantwortung dafür zu übernehmen, was das Projekt im Umfeld auslöst. Vor allem aber braucht es: Geduld, Mut und eine Portion gesunde Naivität. Und schliesslich muss es nicht immer etwas ganz Neues sein. Auch bei bestehenden Zwischennutzungen kann man sich engagieren – Menschen mit Ideen und etwas Zeit werden überall gesucht. Die Termine der offenen Sitzungen stehen auf den Projektwebsites.

Auf bald beim Gärtnern, Holzskulpturen Bauen, Kaffee Trinken, in der Erde Graben, beim Stadtmachen!

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