Rambazamba und Besinnlichkeit

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Akt 2 der Gesprächsreihe: Ganz viel Platz! Wie gelingen unsere Freiräume?

In der Adventszeit wird der sonst so ruhige Werdmühleplatz zur besinnlichen Weihnachtsinsel mitten neben der rummelvollen Bahnhofstrasse. In einem Dutzend Hüttchen wird Essen und Glühwein verkauft und auf einem haushohen Weihnachtsbaum singen täglich Chöre. Wer kennt ihn nicht, den Singing Christmas Tree, den Star dieser Veranstaltung?

Nextzürich nutzte die Gelegenheit und lud am 21. Dezember 2016 die zwei Organisatoren Beat Seeberger und André Kofmehl zum Gespräch im PAVILLEON ein um davon zu berichten, wie eine jährlich wiederkehrende Veranstaltung im öffentlichen Raum organisiert wird und wie man dabei Herzblut und Schnauf behält.

Geburt einer Stadtikone

Ursprünglich entdeckte Beat die Idee des Singing Christmas Trees in New York; zur gleichen Zeit wollte André mit Kinderchören ein Projekt lancieren. Und wie es der Zufall will, machte der damalige Direktor des Jelmoli die zwei Tausendsassas miteinander bekannt. Zwanzig Jahre ist das mittlerweile her. Im Zürich der 90er waren weihnächtlichen Aktivitäten im öffentlichen Raum noch rar. Um so erfreuter zeigte man sich ob des grossen Erfolgs des Projekts, das damals vor dem Globus stattfand. Irgendwann hiess es sogar vorwurfsvoll von der Geschäftsleitung: „Sobald ihr singed, fehlt eus d Chundschaft!“

Das wachsende Publikum brauchte nach einigen Jahren denn auch mehr Platz. Und nachdem Coop Pläne hegte, überall in der Schweiz Singing Christmas Trees aufzustellen fanden  Beat und André eine ideale langfristige Lösung: Seit 2006 singt der Baum auf dem Werdmühleplatz zusammen mit einem kleinen Weihnachtsmarkt. Und siehe da: Dieser Ort „mit gutem Klangraum“ ist bis heute selbst Stadtzürcher*innen nicht unter seinem wirklichen Namen bekannt, sondern als „da wo die Kinder auf dem Baum singen“.

Gepröbelt, getüftelt und gewagt haben Beat und André so einiges zur Erhaltung des Weihnachtsmarktes (darunter so Absurdes wie Zürigschnätzlets im Büürli nebem dem Singing Christmas Trees anzubieten). Die Grundidee ist seit Beginn aber dieselbe geblieben: Das Singen während der Adventszeit in den öffentlichen Raum hineinzutragen, den Zugang so niederschwellig wie möglich zu halten und Menschen in vorweihnächtlicher Besinnlichkeit zusammenzubringen. Die beiden freuen sich denn auch über die ungebrochene Freude des Publikums an ihrem „damaligen Baby“, wie sie ihre Weihnachtsinstitution nennen.

Doch der Wind hat sich in der Stadt Zürich auch weitergedreht: Mittlerweile wird fast jährlich ein neuer Weihnachtsmarkt eröffnet, die Bevölkerung will etwas im öffentlichen Raum erleben, die Stadt macht damit Geld. Eine klassische Win-Win-Situation? Nicht nur, wie Beat und André finden. In diesem ganzen „Rummel, Foodmarket bzw. Rambazamba“ gehe etwas verloren: der Grundgedanke eines Weihnachsmarktes sowie die Besinnlichkeit der Adventszeit.

„Wiehnachte isch Glüehwii, das weiss mer jetzt au in Züri!“ – „Mer gseht, öpis lauft guet, und mer wett das usboue, usboue, usboue… Debii kännt mer ja d Gschicht vom Turmbau vo Babel.“

André versucht als Präsident des neu gegründeten Vereins Weihnachten in Zürich diesem Trend entgegenzutreten. Zwar wartet sein Masterplan für die Zürcher Weihnachtsmärkte noch auf seine Realisierung, jedoch wurden durch diesen Austausch bereits wertvolle Synergien genutzt. Das Magazin „Glanzlichter“ berichtet seit diesem Jahr zudem über die Highlights der Zürcher Adventswochen.

Ein Highlight für das Jahr 2017 steht dabei bereits fest: Das zwanzigjährige Jubiläum des Singing Christmas Trees.

 

Am Mittwoch, 18. Januar 2017 geht es weiter in der „Ganz viel Platz!“-Reihe. Um 19:30 diskutieren wir mit Alexandra Heeb, wie die Stadt Zürich den öffentlichen Raum organisiert.

 

Foto: Roland Schmid
Foto: Roland Schmid